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Unsere Gewässer – Der langsame Weg aus der Krise

Die Fischpopulationen in der Schweiz sinken zunehmend – und das schon seit mehr als 20 Jahre. Verantwortlich dafür sind der Klimawandel, die Umweltverschmutzung und die Verbauungen der Gewässer. Durch Renaturierungen und striktere Vorschriften wird versucht, den Gewässern und somit den Fischen in der Schweiz zu helfen. Und trotzdem: Die Herausforderungen bleiben – und sind teils nur schwer beeinflussbar.

Zuallererst: Die zwei Protagonisten der Geschichte stellen sich vor:

Es ist stockdunkel und kalt an einem Freitagmorgen in Innerferrera, einem kleinen Bergdorf in Graubünden. Und während die wenigen Dorfbewohnerinnen und Bewohner noch schlafen, durchbricht ein Licht die Dunkelheit: Ueli Möller ist auf dem Weg an das Ufer des nahegelegenen Stausees. Der 39-jährige hat mit dem Fischen bereits als Kind begonnen. «Ich geniesse diese Ruhe am Wasser, auch wenn man dafür früh aufstehen muss. Andere machen Yoga, ich gehe dafür fischen», sagt Ueli Möller. In seinen jungen Jahren als Fischer, war er noch voller Ehrgeiz. «Es war wichtig, wie viele Fische ich gefangen habe und auch wie gross sie waren», erzählt der Bündner. Das sei aber schon lange nicht mehr so. Heutzutage fischt Ueli Möller nur noch zum Vergnügen und für die Entspannung. «Hätte ich noch den gleichen Ehrgeiz wie damals – dann wäre mir die Freude wahrscheinlich schon längst vergangen», meint er. Und das hat einen bestimmten Grund: So viele Fische wie noch vor 20 Jahren, fängt man heute bei weitem nicht mehr.

Ueli Möllers Aussage bestätigt auch ein Blick auf die Statistik:

Herausforderungen der Fische

Der Rückgang der Fischpopulationen hat verschiedene Gründe: Zum einen hat der Kanton Graubünden seine Besatzstrategie verändert. Während in den 1990er und 2000er Jahren noch viele Fische und befruchtete Fischeier in die Gewässer eingesetzt wurden, wird dies heute nicht mehr häufig gemacht. Diese Praxis wird nur noch in Gewässern angewandt, wo die Fische langfristig überleben und sich fortpflanzen können. Das Problem: Es gibt nicht mehr viele Gewässer, welche wirklich geeignet sind als Lebensraum für die Fische. Ein grosses Problem sind die vielen Stau- und Speicherseen, besonders im Kanton Graubünden. Insgesamt sind es 73, auf der folgenden Karte sind sie als blaue Punkte eingezeichnet.

Jede Staumauer unterbricht den Verlauf eines Gewässers. Fische, die zum Laichen wandern oder auf der Suche nach Nahrung sind, können sich im Flussverlauf nicht mehr frei bewegen. Somit werden sie stark eingeschränkt.

Ein weiteres Problem für die Fische ist der Klimawandel und die dadurch immer häufiger auftretenden Naturgefahren. So gibt es öfter Murgänge, die ganze Fischbestände auslöschen können.

«Der Zustand vieler Gewässer in der Schweiz ist besorgniserregend»

Nicht einfacher wird es für die Fische, wenn man den allgemeinen Zustand der Schweizer Gewässer genauer betrachtet. Einer der dies seit vielen Jahren auf wissenschaftlicher Ebene tut, ist Roman Alther. Der 40-jährige ist Gewässerökolge am Wasserforschungsinstitut der ETH. «Der Zustand vieler Gewässer in der Schweiz ist besorgniserregend», sagt er. Laut Studien gelten rund ein Viertel aller Schweizer Gewässer als stark beeinträchtigt. Der Anteil komplett unberührten Bächen und Flüssen tendiert gegen null. Die Hauptgründe für den heutigen Zustand der Gewässer sind: der Siedlungsdruck, Chemikalien (zum Beispiel Medikamentenrückstände), Mikroplastik, Verbauungen und der Klimawandel.

«Grundsätzlich gilt: Je abgelegener das Gewässer, umso gesünder und unberührter ist es», sagt Roman Alther. Darum ist beispielsweise eine Bergquelle deutlich naturnaher, als der Rhein, welcher an vielen Städten vorbeifliesst. So auch an der Bündner Kantonshauptstadt Chur, wie auf folgendem Foto gut zu sehen ist.

Der Rhein hat seine Quelle an zwei Orten: Der Vorderrhein am Oberalpass und der Hinterrhein beim Paradiesgletscher in der Nähe des St.Bernhard Pass – beide Quellen liegen im Kanton Graubünden. Bei Chur kommen die beiden Flüsse zusammen und werden ab dann offiziell als «Rhein» bezeichnet. Daher ist der Fluss dort noch jung und beinahe unberührt. Auf seiner Reise Richtung Nordsee ändert sich dies jedoch.

Eine lange Leidensgeschichte

Der Rhein gilt als längster und einer der wichtigsten Flüsse Europas. Er wird für den Gütertransport genutzt und versorgt insgesamt rund 30 Millionen Menschen mit Trinkwasser. «Durch diese Nutzung ist der Rhein im Mittelland deutlich stärker belastet als noch an seinem Ursprung im Kanton Graubünden», erklärt Gewässerökologe Roman Alther. Zufrieden mit dem Gewässerzustand in der Schweiz ist der Zürcher nicht. Trotzdem räumt er ein:

Und Roman Alther weiss auch: Die Herausforderungen der Gewässer haben bereits vor 150 Jahren begonnen. Damals spielte vor allem die Landwirtschaft durch Überdüngung, die Industrialisierung und die Begradigung der Gewässer eine zentrale Rolle. Diese Probleme wurden vom Bund und den Kantonen wahrgenommen. Strengere Auflagen in der Landwirtschaft erzielten, dass heute weniger Pestizide in die Gewässer gelangen als früher. Aber ist dies schon ausreichend, um unsere Gewässer zu schützen?

(K)ein Weg zum Erfolg?

Um unsere Gewässer gesünder zu machen und somit auch die Fischbestände wieder aufzubessern, muss noch einiges getan werden. In diesem Punkt sind sich Ueli Möller und Roman Alther einig. «Ich glaube wir haben eine Art „Peak“ erreicht, die Probleme wurden erkannt und es wird daran gearbeitet», sagt Ueli Möller.

Einer der Lösungsansätze ist die Renaturierung. Der oft begradigte Rhein wird aufgeweitet und in einen natürlichen Zustand versetzt. In Bundesbern wurde beschlossen, dass in den nächsten 80 Jahren 4000 Kilometer des Gewässernetzes revitalisiert werden müssen. «Das ist ein Anfang, aber aus meiner Sicht noch nicht genug», meint Gewässerökologe Roman Alther.

Ein weiterer Knackpunkt sind die Stau- und Speicherseen für die Energienutzung. Auch sie reissen die Fliessgewässer aus ihrem natürlichen Zustand und stellen eine grosse Bedrohung für die Fischpopulationen dar. «Ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft mehr auf Sonnen- und Windenergie gesetzt wird und die Wasserkraft abnehmen wird», so der Fischer Ueli Möller. Dieser Wandel brauche jedoch Zeit. Es sei wichtig, dass die kleinen Wasserkraftwerke in höher gelegenen Gegenden zurückgebaut werden. «Besser setzt man auf die grossen Wasserkraftwerke weiter unten im Tal, die beeinträchtigen den Lebensraum deutlich weniger.»

Trotz dieser Lösungsansätze: Es bleibt ein Wandel, der langsam voranschreitet. Und gegen das grösste aller Probleme, helfen auch diese Massnahmen nur begrenzt: der Klimawandel. Für den Fischer und den Gewässerökologen ist klar: es liegt an jedem Einzelnen, Verantwortung für den Schutz unserer Gewässer und unserer Natur zu übernehmen.

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